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SERP-Manipulation durch die Vereinten Nationen

Am 20. September 2022 hat das World Economic Forum ein Video veröffentlicht, in welchem WEF-Moderator Adrian Monck sich unter anderem mit UN-Beamtin Melissa Fleming über das Thema “Desinformation” unterhält.

Melissa Fleming räumt SERP-Manipulation ein. Das Video beginnt an der richtigen Stelle.

Nachdem Sie zuerst über die Herausforderungen spricht, die die UN in den letzten Jahren zu schlecht angepackt habe, fährt sie im letzten Viertel des 70 minütigen Video fort, zu erzählen, dass die UN aus ihren Fehlern gelernt habe. Nachfolgend das englischsprachige Skript sowie die sinngemäße deutsche Übersetzung:

We partnered with Google for example. If you google “climate change” at the top of your search you will get all kinds of UN resources.

We started this partnership when we were shocked to see that when we googled “climate change” we were getting incredibly distorted information right at the top. So we’re becoming much more proactive, you know we own the science and we think that the world should know it and the platforms themselves also do. But again it’s a huge huge challenge that I think all sectors of society need to be very active in.

Melissa Fleming, United Nations official

Wir sind zum Beispiel eine Partnerschaft mit Google eingegangen. Wenn Sie “Klimawandel” googeln, erhalten Sie an erster Stelle alle möglichen UN-Ressourcen.

Wir begannen diese Partnerschaft, als wir schockiert feststellten, dass wir bei der Suche nach “Klimawandel” unglaublich verzerrte Informationen ganz oben erhielten. Wir werden also viel proaktiver, denn wir sind “die Wissenschaft” (Anmerkung: wörtlich “wir besitzen die Wissenschaft”)  und denken, dass die Welt die wissenschaftlichen Erkenntnisse kennen sollte, und die Plattformen selbst denken das auch. Aber auch hier handelt es sich um eine riesige Herausforderung, bei der meiner Meinung nach alle Bereiche der Gesellschaft sehr aktiv sein müssen.

Melissa Fleming, UN-Beamtin
United Nations Melissa Fleming SERP Manipulation
Melissa Fleming erzählt von der SERP-Manipulation

Mich als SEO versetzen diese Zeilen in Alarmbereitschaft. Das ist schlicht und einfach SERP-Manipulation.

Die organische Suche ohne SERP-Manipulation

Die Algorithmen von Suchmaschienen wie Google sind offenkundig nicht über jeden Zweifel erhaben. Wir klicken auf der SERP nach dem ersten Link immer noch weitere Suchergebnisse an. Und häufig sind wir gänzlich unzufrieden und verfeinern unsere Suchanfrage durch Hinzufügen von zusätzlichen Keywords, bis wir auf das geeignete Suchresultat stoßen.

Trotz allem verlief der Entscheidungsprozess seitens Google und Co. bisher relativ demokratisch – Zumindest so viel wir wissen. Ja, die Suche wird durch die individuelle Suchhistorie mitbeeinflusst, so dass beispielsweise eine Seite, die man bereits gerne mag, höher gerankt wird, solange man bei Google eingeloggt ist.

Davon abgesehen serviert uns eine Suchmaschine aber in der Regel das Resultat, welches sie für unsere Suchanfrage für das relevanteste hält. Tatsächlich dient die Inklusion der eigenen Suchhistorie lediglich dem Zweck, die Relevanz noch mehr zu erhöhen.

Willkür am Horizont

Die Entscheidungsgrundlage für die Relevanz wiederum basiert auf dem “Feedback” der kompletten Internet-Community.
Wenn man Google fragt, “wer ist der bekannteste Koch?”, dann antwortet Google mit “Jamie Oliver” – nicht etwa, weil Google unter den Mitarbeitenden eine Umfrage gemacht oder dies ausgelost hat –, sondern weil Hunderte Millionen User mit ihrem Nutzerverhalten über Jahre hinweg Signale an Google gesendet haben, die Jamie Oliver als bekanntesten Koch ausweisen.

Mein Nachbar Tim kocht auch leidenschaftlich gerne und gut! Er mag aber Jamie Oliver nicht besonders: “Ich hab schon dreiundfünfzig Rezepte von Jamie nachgekocht und ich sag dir, der Typ ist überbewertet!”, hat er kürzlich zu mir gesagt.

Ich habe ihm geantwortet, er soll doch zu Google gehen und fragen ob sie ihn auf der SERP künftig über Jamie Oliver platzieren.

Er hat meinen Rat beherzigt und das getan. Google hat geantwortet “Ja eh, kein Problem!” und ab morgen wird er dann an erster Stelle angezeigt.

Nett, oder?

Natürlich ist jedem klar, dass diese Geschichte nicht stimmt. Wäre ja absurd. Nicht nur Jamie Oliver würde um seine wohlverdienten Lorbeeren geprellt werden, sondern die Suchmaschinen-NutzerInnen auch noch um die Integrität ihrer Suchresultate.

Tim kann Google noch so anflehen, das so ziemlich Einzige, was ihn über Jamie Oliver platzieren kann, ist, diesen mit harter Arbeit vom Thron zu stürzen und sich den Titel zu verdienen.

UN-approved: Neuer Ranking Factor?

Melissa Fleming ist nicht Tim. Melissa ist UN-Beraterin. Wenn Melissa bei Google anruft, dann geht jemand ran. Die UN könnte eine SEO-Agentur engagieren, die dafür sorgt, dass ihre Stimme häufiger gehört wird als jene, die aus ihrer Sicht nur Desinformation verbreiten. Das Backlink-Profil von un.org umfasst gemäß meiner Recherchen mehr als 1,3 Millionen Domains, es wäre also durchaus realistisch, wenn nicht sogar easypeasy, für die UN, sich die Spitze mit faire(re)n Mitteln zu sichern.

Fleming impliziert im Interview zwar, dass sie sich bewusst ist, dass der UN-Content bisher eher trockenen Textwüsten glich und dass die UN da natürlich chancenlos waren gegen den frischen, persönlichen Content wie jener der Mitstreiter. Solche frischeren Formate würden nun zwar angestrebt.
Aber statt dass man dann die InternetnutzerInnen entscheiden lässt, ob die UN als oberste Autorität anerkannt wird, hilft man ihnen bei der Entscheidung: Bei relevanten Keywords, beispielsweise “Climate Change” kommt seit der “Partnerschaft” mit Google “die Stimme der Wissenschaft” (=UN) an erster Stelle. Unter Garantie. Vermutlich für immer.

Das stört im ersten Moment vermutlich nur diejenigen, die dieses Keyword selber auch mit ihrem Content besetzen wollen.

Aber wo ist die Grenze? Steht der Blogging-Welt eines neuen Ranking Faktors bevor: Der Segen der UN?

“It’s a huge huge challenge that I think all sectors of society need to be very active in.”

“Es ist eine riesige Herausforderung in der alle Bereiche der Gesellschaft aktiv werden sollten.”

Diese Aussage stellt klar: Die Vereinten Nationen halten sich nicht auf mit sowas hinderlichem wie Grenzen. Viel mehr lädt sie alle funktionellen Autoritäten, anstelle der natürlichen, dazu ein, die Suchergebnisse über eine Partnerschaft mit Google zu dominieren.

Die Unbesonnenheit mit der diese Art der Zensur verkündet worden ist, demonstriert die totale Absenz von Schuldbewusstsein.

Was SERP-Manipulation bedeuten könnte

Sollten die Suchergebnisse der großen Suchmaschinen nachweißlich und vermehrt von Regierungsorganisationen vorsortiert und gefiltert werden, könnte das

  • die organische Suche zunehmend verfälschen
  • das Vertrauen in die Suchmaschinen trüben 
  • und somit die SEO-Branche stark beeinflussen:
    • Betroffene Branchen würden ihr Marketing auf vorhandene Alternativen ausrichten und
    • Black-Hat-SEO würde aufgrund der Ungleichbehandlung wieder verstärkt angewendet werden

E-Commerce Betriebe würden vermutlich am längsten unbehelligt bleiben, da deren Keywords in der Regel keine Überlappungen haben mit jenen der Vereinten Nationen und Co. Ich sage “vermutlich”, weil für mich der ganze Rattenschwanz, der noch kommen könnte, nicht absehbar ist.

The irony

Als Melissa Fleming ausgesprochen hatte, wandte Moderator Adrian Monck sich an die per Zoom-Meeting zugeschaltene Expertin für Misinformation, Claire Wardle. Nachfolgend der Dialog, erneut auf Deutsch und mit Englischer Übersetzung:

To some people watching this they’re going to be saying well ‘hang on a second’. You guys you’re experts, you’re institutional, you’re mainstream media… you know: You’re the people that I’m doing my research to kind of go around because I don’t trust you to deliver on what you say you deliver. You’ve got an agenda. You’re part of these insittutions that I didn’t vote for, I didn’t choose – how do you get to people like that and say ‘look, you possibly might want to check a little harder on what you’re looking at. Well you might want to think again.’

Or have we lost some people to this debate?

Adrian Monck

Einige Leute, die das sehen, werden jetzt sagen: ‘Moment mal. Ihr seid die Experten, ihr seid die Institutionen, ihr seid die Mainstream-Medien… ihr wisst schon: Ihr seid die Leute, wegen derer ich recherchiere, weil ich nicht darauf vertraue, dass ihr das liefert, was ihr versprecht. Ihr habt eine Agenda. Ihr seid Teil dieser Institutionen, die ich nicht gewählt habe, die ich nicht ausgewählt habe.’
Wie kann man zu solchen Leuten gehen und sagen: ‘Hör zu, du solltest vielleicht etwas genauer prüfen, was du so siehst. Vielleicht solltest du noch einmal darüber nachdenken.’
Oder haben wir einige Leute an diese Debatte verloren?

Adrian Monck
WEF Interview with Claire Wardle Expert on misinformation
Claire Wardle über das verlorene Vertrauen der Bevölkerung

Worauf Claire Wardle das folgende entgegnete:

Yeah I don’t think we can just say to people trust us anymore. Because if you look at the disinformation ecosystem it’s actually really participatory. People feel a part of something they feel like they have agency, they feel heard… Our ecosystem that we all live in is still pretty top down. […] . We on our side need to understand: How can we listen more effectively, how can we be more representative in our newsrooms and faculty of many many people who feel like they’re not seen and they’re not represented. But again we’re not going to come out of this quickly so we just have to start on a process and say how do we build back that trust and we’re going to have to make people feel like they’re part of something.

Claire Wardle

Ja, ich glaube, wir können den Leuten nicht mehr einfach sagen, dass sie uns vertrauen sollen. Denn wenn man sich das Desinformations-Ökosystem anschaut, ist es eigentlich sehr partizipativ. Die Menschen fühlen sich als Teil von etwas, sie haben das Gefühl, dass sie etwas bewirken können, sie fühlen sich gehört… Unser Ökosystem, in dem wir alle leben, ist immer noch ziemlich top down. […] . Wir von unserer Seite müssen verstehen: Wie können wir effektiver zuhören, wie können wir in unseren Redaktionen und in der Fakultät viele Menschen repräsentieren, die sich nicht gesehen und nicht repräsentiert fühlen. Aber auch hier werden wir nicht schnell aus der Sache herauskommen, also müssen wir einen Prozess in Gang setzen und sagen, wie wir dieses Vertrauen wieder aufbauen können, und wir müssen den Leuten das Gefühl geben, dass sie Teil von etwas sind.

Claire Wardle

Erneut fehlt jegliches Bewusstsein dafür, dass die Manipulation der Google-SERP in direktem Widerspruch zu den von Claire Wardle erwähnten Plänen stehen, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.

Es scheint, Melissa Fleming hat der UN mit Ihrem Statement einen Bärendienst erwiesen. Denn wenn Google sich mit der UN verpartnert, dann scheint es ziemlich selbsterklärend zu sein, dass Google im Allgemeinen offen dafür ist. Eine Gelegenheit, die bestimmt jede Organisation mit genügend Autorität ergreift. Und dies in den letzten Jahren auch bereits getan hat.

Mich überrascht zwar nicht mehr, dass Regierungen demokratische Werte mit Füßen treten. Viel mehr bin ich erstaunt darüber, wie transparent mit der SERP-Manipulation umgegangen wird und sogar “weitere Bereiche” dazu ermutigt werden, es gleichzutun und im beinahe selben Atemzug darüber ge-werweißt wird, man wohl das Vertrauen der Menschen zurückbekommen kann.

Und dies auch noch öffentlich, als sei gar nichts dabei.

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